„Die Daguerreotypen [...]
sind doch, streng genommen,
in ihrer Art erst ein Anfang [...]“
(Karl Preyßer, 1839) 1
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Karl Preyßer, „Aus der Kunstwelt“, in: Allgemeine Theaterzeitung und Originalblatt für Kunst, Literatur, Musik, Mode und geselliges Leben, 32. Jg., Wien, 31. August 1839, S. 847.
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„Daguerres Verfahren [...],
das erst die Fotografie ankündigt,
aber ihr Wesen noch nicht umfaßt [...]“
(Heinrich Schwarz, 1931)2
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Heinrich Schwarz, David Octavius Hill, der Meister der Photographie, Leipzig: Insel, 1931, S. 19.
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Alessandro Duroni: ohne Titel, um 1850/55, Stereodaguerreotypie, seitenverkehrte Darstellung
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Alessandro Duroni: ohne Titel, um 1850/55, Stereodaguerreotypie, seitenverkehrte Darstellung (aus: L'Italia d'Argento. 1839/1859. Storia del Dagherrotipo in Italia, a cura di Maria Francesca Bonetti, Monica Maffioli, Ausstellungskatalog Istituto Nazionale per la Grafica, Firenze: Alinari, 2003, S. 85)
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Die Daguerreotypie ist ein Verfahren, bei dem auf chemisch-physikalischem Weg Ansichten nach der Natur auf einer versilberten Kupferplatte verkleinert wiedergegeben werden. Erfunden wurde es von Louis Jacques Mandé Daguerre auf der Grundlage der Versuche von Joseph Nicéphore Niépce, veröffentlicht am 19. August 1839 in Paris. Die Platte muss sofort nach der Belichtung entwickelt und fixiert werden. Durch Vergolden wird eine bessere Tiefenwirkung erzielt und zugleich die Empfindlichkeit gegenüber Berührungen herabgesetzt. Gleichwohl bleibt die Bildseite der Daguerreotypie, die ein Unikat darstellt, leicht verletzlich, weshalb sie mit einem Schutzglas versehen und gerahmt oder in einem Kästchen verwahrt wird. Manche Bilder werden mit Staubfarben leicht koloriert. Das Bild erscheint auf der spiegelnden Oberfläche der Platte je nach Betrachtungswinkel als Negativ oder als Positiv. Viele Daguerreotypien enthalten seitenverkehrte Darstellungen, sofern nicht mittels eines Spiegels oder eines Prismas vor dem Objektiv eine Umkehrung erfolgt ist. Das Verfahren findet Anwendung ab den 1840er Jahren, und zwar vornehmlich in Ateliers von Berufsdaguerreotypisten. Ab etwa 1850 wird es nach und nach von der Fotografie abgelöst.
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Einen Überblick gibt Timm Starl, „Das Aufkommen einer neuen Bildwelt. Gebrauch und Verbreitung der Daguerreotypie“, in: Neue Geschichte der Fotografie, hrsg. von Michel Frizot, Köln: Könemann, 1998, S. 33-50. Zur Theorie vgl. Josef Maria Eder, Eduard Kuchinka, Die Daguerreotypie und die Anfänge der Negativphotographie auf Papier und Glas (Talbotypie und Niepçotypie), Halle (Saale): Wilhelm Knapp, 1927 (Ausführliches Handbuch der Photographie, 3. Aufl., Bd. 2, Teil 3). Zur Bildwelt vgl. insbesondere Le daguerréotype français. Un objet photographique, Ouvrage collectif sous la responsabilité scientifique de Quentin Bajac et Dominique Planchon-de-Font-Réaulx, Ausstellungskatalog Musée d'Orsay, Paris: Editions de la Réunions des musées nationaux, 2003; L'Italia d'Argento. 1839/1859. Storia del Dagherrotipo in Italia, a cura di Maria Francesca Bonetti, Monica Maffioli, Ausstellungskatalog Istituto Nazionale per la Grafica, Firenze: Alinari, 2003; Jochen Voigt, Der gefrorene Augenblick. Daguerreotypie in Sachsen 1839 – 1860. Inkunabeln der Photographie in sächsischen Sammlungen, Unter Mitwirkung von Christoph Kaufmann, Eberhard Patzig, Roland Schwarz und Frank Weiß, Gemeinsamer Bestandskatalog „Daguerreotypie“ Vogtlandmuseum Plauen, Technische Sammlungen der Stadt Dresden, Museum für Kunsthandwerk/Grassimuseum Leipzig, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Chemnitz: Edition Mobilis, 2004; René Perret, Kunst und Magie der Daguerreotypie. Collection W.+T. Bosshard, Brugg: BEA + Poly-Verlags AG, 2006.
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Anonym: Ansicht des Campanile di Giotto in Florenz, um 1846, Daguerreotypie mit Gebrauchsspuren
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Anonym: Ansicht des Campanile di Giotto in Florenz, um 1846, Daguerreotypie mit Gebrauchsspuren (aus: L'Italia d'Argento. 1839/1859. Storia del Dagherrotipo in Italia, a cura di Maria Francesca Bonetti, Monica Maffioli, Ausstellungskatalog Istituto Nazionale per la Grafica, Firenze: Alinari, 2003, S. 117)
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Die neuen Bilder der Daguerreotypie bestimmen die Haltung ihrer Betrachter. Um die negativ aufgezeichneten Wiedergaben als positive erkennen zu können, muss die Platte schräg gegen einen dunklen Hintergrund gehalten werden. Das Verfahren ist also darauf ausgelegt, jeweils gleichzeitig immer nur von einer einzigen Person in Augenschein genommen zu werden. Dazu hat sie eine bestimmte Position gegenüber der Bildfläche einzunehmen und diese beizubehalten. Will man die meist kleinformatigen Daguerreotypien – am häufigsten kommt die Viertelplatte mit 10,8 x 8,1 cm zur Anwendung – näher betrachten, bedarf es der Vergrößerung. Es sind ja die winzigen Details, die das besondere Interesse der Zeitgenossen hervorrufen, existiert in jenen Jahren doch kein anderes Bildmedium, das die Vielzahl an Einzelheiten mit einer solchen „mathematischen Genauigkeit“
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4„Bericht der Spezialkommission der Pairskammer zur Prüfung des Gesetzesvorschlags über Erwerbung des Geheimnisses des Herrn Daguerre zur Fixierung der Bilder der Camera obscura. Erstattet in der Sitzung vom 30. Juli 1839 von Herrn Gay-Lussac“, in: Josef Maria Eder, Geschichte der Photographie, Erste und Zweite Hälfte, 2 Bde., Halle (Saale): Wilhelm Knapp, 41932 (Ausführliches Handbuch der Photographie, Bd. 1, Teil 1), S. 310-314, hier S. 312.
schliessen , wie es 1839 der Chemiker Joseph Louis Gay-Lussac ausdrückt, wiedergeben könnte. So greifen denn die meisten zu einer Lupe und inspizieren, was an sichtbaren Erscheinungen ins Bild eingegangen ist. „Das bei weitem Interessanteste solcher Bilder besteht [...] darin, daß sie das Vergrößerungsglas nicht nur nicht scheuen, sondern gleich reinen Naturprodukten in seinem Gesichtsfelde viel mehr an Deutlichkeit und Schönheit gewinnen.“
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5 Richard, „Ausstellung von Daguerrotypen im k.k. Universitätsgebäude“, in: Der Oesterreichische Zuschauer. Zeitschrift für Kunst, Wissenschaft und geistiges Leben, Wien, 29. November 1839, S. 1457-1459, hier S. 1458.
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Die Anordnung der Platte vor den Augen erfordert eine Ruhigstellung des Kopfes und eine besondere Konzentration, die sich beim Gebrauch eines Vergrößerungsglases noch erhöht. Dabei tritt die Umgebung, in der man sich befindet, in den Hintergrund, das Bild stellt sich
vor den Ort, an dem es angesehen wird. Genau so verhält es sich mit stereoskopischen Bildern, die in der zweiten Hälfte der 1840er Jahre aufkommen, nachdem David Brewster 1844 das Linsenstereoskop beschrieben und 1847 die zweiäugige Stereokamera konstruiert hat. Die unmerklich unterschiedlichen Doppelbilder benötigen einen Betrachtungsapparat mit regulierbarer Einstellung, mit der sich der Abstand zwischen Linsenpaar und Bildpaar nach Bedarf verlängern oder verkürzen lässt. Auch bei plastisch wirkenden Stereobildern gerät der Blick sozusagen außer sich, wie Oliver Wendell Holmes 1859 bemerkt: „Wir fühlen uns in die Tiefe des Bildes hineingezogen.“
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Oliver Wendell Holmes, „Das Stereoskop und der Stereograph“ [1859], in: Wolfgang Kemp, Theorie der Fotografie I. 1839 – 1912, München: Schirmer-Mosel, 1980, S. 114-121, hier S. 116.
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Optische Hilfsmittel zur Betrachtung von Bildern sind ebenso wenig neu wie die Darstellung zweier teilweise differierender Bilder auf derselben Fläche. Guckkästen waren bereits im 18. Jahrhundert mit einer oder zwei Linsen ausgestattet, und beidseitig bemalte und perforierte Kupferstiche erlaubten beispielsweise Tag- und Nachtansichten je nach Beleuchtung von oben und vorne oder Durchleuchtung von hinten. Mit Transparentbildern operierte auch Nikolaus König ab 1815, der seine Bilderschauen als „Diaphanorama“ ankündigte, wie später Daguerre, der 1834 sein „Diorama“ gleichfalls damit ausstattete. Insofern verwundert es nicht, dass in keinem zeitgenössischen Kommentar bemängelt wird, dass eine Daguerreotypie ein Negativ liefert, zu dessen positiver Ansicht es jeweils einer Manipulation bedarf. Sogar die Schrägsicht auf eine spiegelnde Fläche kennt jeder, der schon anamorphotischen Bildern begegnet ist. Zwar hatten diese ihre Blütezeit im 18. Jahrhundert, fanden sich aber in den 1840er Jahren noch allenthalben als Spielzeug in Kinderzimmern und auf Kunstakademien als Lehrmaterial zur Perspektive.
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Zu den erwähnten optischen und nichtfotografischen Bildern vgl. Ich sehe was, was du nicht siehst! Sehmaschinen und Bilderwelten, hrsg. von Bodo von Dewitz und Werner Nekes, Ausstellungskatalog Museum Ludwig, Agfa Photo-Historama, Köln, Göttingen: Steidl, 2002.
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Weil Daguerreotypien und Stereobilder nicht von mehreren Menschen gleichzeitig betrachtet werden können, eignen sie sich auch nicht zur öffentlichen Schaustellung.
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Zwar nahm 1843 der Amerikaner Alexander Simon Wolcott ein Patent, um Daguerreotypien mittels episkopischer Projektion auf einer Leinwand vergrößert wiederzugeben, doch fand das komplizierte Verfahren keine Anwendung, zumal auch der Erfinder im darauf folgenden Jahr starb; vgl. Jens Ruchatz, Licht und Wahrheit. Eine Mediumgeschichte der fotografischen Projektion, München: Wilhelm Fink, 2003, S. 72.
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Der übliche Raum sind die eigenen vier Wände, wo der Betrachter auf einem Stuhl vor einem Tisch sitzt, auf dem das Kästchen liegt, oder auf den die Arme gestützt werden, um das Stereoskop ruhig zu halten. Er verharrt ebenso, ohne sich zu rühren, vor den Bildern seines Interesses, wie er sich verhalten muss, wenn er ein Porträt von sich haben möchte. Im Atelier des Daguerreotypisten nimmt er Platz auf einem Stuhl mit aufmontiertem Kopfhalter oder steht vor einem solchen Gerät, das verstellbar ist und garantieren soll, dass die Kundschaft während des Belichtungsvorganges still hält. Diese bewegungslose Stellung von zunächst mehreren Minuten bedeutet keine neue Übung: Auch dem Zeichner und Maler musste man Modell sitzen und dabei die Haltung möglichst nicht verändern. Gleichwohl wird die Porträtsitzung beim Daguerreotypisten und später beim Fotografen – in den fotohistorischen Texten mehr als in der zeitgenössischen Literatur – als Tortur bezeichnet. Wobei es doch auch darum geht, dass die Modelle die Möglichkeit erhalten, gegenüber dem Geschehen Distanz zu gewinnen und sich darauf zu konzentrieren, mit welchem Gesichtsausdruck und in welcher Pose sie sich darstellen wollen, welches Bild sie von sich erhalten möchten. Die Haltung der Porträtierten und der Betrachter
vor den Bildern – zeitlich wie räumlich gesehen – entsprechen einander.
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Honoré Daumier: „Position réputée la plus commode pour avoir un joli portrait au Daguerréotype“, aus der Serie „Les bons bourgeois“ in der Zeitschrift Le Charivari, 24. Juli 1847, Lithografie
Quelle
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Honoré Daumier: „Position réputée la plus commode pour avoir un joli portrait au Daguerréotype“, aus der Serie „Les bons bourgeois“ in der Zeitschrift Le Charivari, 24. Juli 1847, Lithografie, 24,7 x 21,7 cm (aus: Le daguerréotype français. Un objet photographique, Ouvrage collectif sous la responsabilité scientifique de Quentin Bajac et Dominique Planchon-de-Font-Réaulx, Ausstellungskatalog Musée d'Orsay, Paris: Editions de la Réunions des musées nationaux, 2003, S. 192)
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Die Isolation
vor dem Bild geht bei Daguerreotypien einher mit deren Besonderheit als Unikat. Als einzeln gefertigtes Produkt betont es die handwerklichen Fertigkeiten ihres Erzeugers, dem weniger an der Inszenierung vor der Kamera gelegen ist als an deren Beherrschung: „Der Daguerreoptypist konzentriert sich viel mehr auf seinen Apparat und wünscht sich im Blickfeld nur Ruhe, deren Gestalt ihn noch verhältnismäßig wenig interessiert.“
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Thomas Neumann, Sozialgeschichte der Photographie, Neuwied, Berlin: Luchterhand, 1966 (Soziologische Essays), S. 27.
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Wie auf der anderen Seite der Besitzer des wertvollen Stückes stolz darauf sein kann, dass kein zweiter dasselbe Bildwerk sein eigen nennen kann. Die Exklusivität von Unikaten beruht darüber hinaus auf der Einmaligkeit des Bildes: Von jeder Fotografie, die man betrachtet, hat es davor ein Bild gegeben, aus dem dieses erwachsen ist, wenn auch mit negativer Darstellung der Bildobjekte. Bei Unikaten bleibt das erstmalig aufgezeichnete Bild das einzige.
Auch wenn manche Daguerreotypien später als bemerkenswerte Kreationen angesehen werden, fällt dem Kunsthistoriker Heinrich Schwarz 1931 auf: „Aus der unübersehbaren Menge von Künstlern und Dilettanten, die sich in den vierziger und fünfziger Jahren mit der Daguerreotypie beruflich oder als Amateure beschäftigt haben, ragt keine künstlerische Persönlichkeit [von Bedeutung] hervor.“
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Heinrich Schwarz, David Octavius Hill, der Meister der Photographie, Leipzig: Insel, 1931, S. 19. Die Ergänzung in Klammern hat der Autor für eine spätere Ausgabe des Buches vorgesehen; vgl. Heinrich Schwarz, Techniken des Sehens – vor und nach der Fotografie. Ausgewählte Schriften 1929 – 1966, hrsg. und kommentiert von Anselm Wagner, Salzburg: Fotohof edition, 2006 (Bd. 70), S. 49.
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Ihre Vertreter kommen auch nicht überwiegend aus Künstlerkreisen.
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Vgl. Timm Starl, „Überwiegend Künstler? Zur beruflichen Herkunft von Daguerreotypisten“, in: Fotogeschichte, Heft 40, 11. Jg., 1991, S. 39-44.
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Gleichwohl wollen insbesondere die Berufsdaguerreotypisten als Künstler angesehen werden und übernehmen deren Gebaren, ihre Hervorbringungen mit einer Signatur zu versehen. Die Platten verweigern jedoch eine solche Kennzeichnung an sichtbarer Stelle, denn im Bild war sie nicht möglich und ansonsten konnte sie lediglich am Rand mittels Schlagstempel angebracht werden. Dort befinden sich jedoch in der Regel der Name und die Fabrikmarke des Plattenherstellers, und überdies sind die Ränder von einem Passepartout oder dem Rahmen verdeckt.
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Vgl. Josef Maria Eder, Eduard Kuchinka, Die Daguerreotypie und die Anfänge der Negativphotographie auf Papier und Glas (Talbotypie und Niepçotypie), Halle (Saale): Wilhelm Knapp, 1927 (Ausführliches Handbuch der Photographie, 3. Aufl., Bd. 2, Teil 3), S. 13. Beispiele zeigt Jochen Voigt, Der gefrorene Augenblick. Daguerreotypie in Sachsen 1839 – 1860. Inkunabeln der Photographie in sächsischen Sammlungen, Unter Mitwirkung von Christoph Kaufmann, Eberhard Patzig, Roland Schwarz und Frank Weiß, Gemeinsamer Bestandskatalog „Daguerreotypie“ Vogtlandmuseum Plauen, Technische Sammlungen der Stadt Dresden, Museum für Kunsthandwerk/Grassimuseum Leipzig, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Chemnitz: Edition Mobilis, 2004, S. 13, 37; dort auch eine Abbildung der Tischdecke des Daguerreotypisten Eduard Wehnert (S. 118), in die sein Name gestickt ist und die für Aufnahmen vorgesehen gewesen ist.
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Wegen ihrer Einmaligkeit sind die Daguerreotypien auch nicht mobil: Sie verschwinden in den Salons ihrer Besitzer und gehen später größtenteils verloren.
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O.A., „Wie verbreitet [...]“, in: Photographisches Archiv. Berichte über den Fortschritt der Photographie, Bd. 24, Nr. 469-492, 1883, Düsseldorf, S. 294: „Im Jahre 1852 wurden in Paris 180,000 galvanisch versilberte und 712,800 plaquirte Daguerreotyp-Platten gefertigt. In Viertelplatten zerschnitten repräsentirt das 3,571,200 Bilder, in Sechstelplatten 5,356,800.“ – doch bestenfalls einige Tausend haben sich bis dato erhalten.
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Als Verfahren hält sich die Daguerreotypie nur, bis in den 1850er Jahren von der Kollodium-Glasplatte nahe unbegrenzt Abzüge hergestellt werden können und die Stereofotografie auf Papier zum ersten fotografischen Massenmedium avanciert. Mit der Möglichkeit der Reproduktion gerät Bewegung in die Bilder, desgleichen mit Projektionen, die 1850 den Brüdern Langenheim in Philadelphia erstmals gelingen. Auch bedarf es nicht mehr optischer Geräte und eines Arrangements des Bildträgers, damit ein größeres Publikum der Bilder ansichtig werden kann.
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Anzeige zur Eröffnung des Ateliers Gutekunst und Dihm in Stuttgart, in dem Daguerreotypien und Fotografien gefertigt werden, veröffentlicht am 7. März 1849
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Anzeige zur Eröffnung des Ateliers Gutekunst und Dihm in Stuttgart, in dem Daguerreotypien und Fotografien gefertigt werden, veröffentlicht am 7. März 1849 (aus: Joachim W. Siener, Von der maskierten Schlittenfahrt zum Hof-Photographen. Die Photographie und Stuttgart 1839 – 1900, Ausstellungskatalog Württembergische Landesbibliothek, Stuttgart-Bad Cannstatt: Edition Cantz, 1989, S. 91)
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Die professionellen Produzenten der Daguerreotypie setzen auf den Unikatcharakter und verstärken den Eindruck des Besonderen noch, indem sie die ausgearbeiteten Platten in Kästchen mit geprägten Deckeln und samtenem Innenfutter, hinter Glas gesetzt und in Messing gerahmt, liefern. Davon unabhängig ist man sich des Mankos des einzelnen Stückes bewusst, und bereits 1840 beginnen die ersten mit Versuchen zur Vervielfältigung. Eine Möglichkeit bietet die Installation von mehreren Kameras vor dem Objekt, wobei kurz hintereinander der Belichtungsvorgang ausgelöst wird, sofern nur eine Person das Arrangement bedient. Diese Methode ist nicht nur verhältnismäßig kostenintensiv, sondern durch die Position der Apparate neben- und übereinander stimmen die Ergebnisse nicht vollkommen überein. Es werden diverse andere Wege aufgetan, von denen die „Ätzung der Daguerreotypplatten zwecks Vervielfältigung in der Kupferdruckpresse“
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Josef Maria Eder, Eduard Kuchinka, „Reproduktion und Übertragen von Daguerreotypien“, in: dies., Die Daguerreotypie und die Anfänge der Negativphotographie auf Papier und Glas (Talbotypie und Niepçotypie), Halle (Saale): Wilhelm Knapp, 1927 (Ausführliches Handbuch der Photographie, 3. Aufl., Bd. 2, Teil 3), S. 35-37, hier S. 36. Zu weiteren Praktiken vgl. Floyd Rinhart, Marion Rinhart, „Copying daguerreotypes“, in: dies., The American Daguerreotype, Athens: The University of Georgia Press, 1981, S. 76-81 sowie Helmut Gernsheim, Geschichte der Photographie. Die ersten hundert Jahre, Frankfurt am Main, Berlin, Wien: Propyläen, 1983 (Propyläen Kunstgeschichte, Sonderband III), S. 138.
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sich als die praktikabelste erweist und zu den ansehnlichsten Ergebnissen führt. Doch mehr als 300 bis 400 Reproduktionen lassen sich von einer geätzten Platte nicht anfertigen.
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Verwendung von sechs Kameras im Atelier des Wanderdaguerreotypisten Johann Baptist Isenring in Stuttgart, Anzeige in der Schwäbischen Chronik, Mai 1841, Holzschnitt
Quelle
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Verwendung von sechs Kameras im Atelier des Wanderdaguerreotypisten Johann Baptist Isenring in Stuttgart, Anzeige in der Schwäbischen Chronik, Mai 1841, Holzschnitt (aus: Joachim W. Siener, Von der maskierten Schlittenfahrt zum Hof-Photographen. Die Photographie und Stuttgart 1839 – 1900, Ausstellungskatalog Württembergische Landesbibliothek, Stuttgart-Bad Cannstatt: Edition Cantz, 1989, S. 49)
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So tritt die Daguerreotypie als Solitär besonderer Art an einer Wende der visuellen Kultur auf, deren Kennzeichen ebenso Beschleunigung wie Verlangsamung, zunehmende Mobilität und Beharrung sind. Es geht um Bewegung und Stillstand im Bild und als Bild sowie vor den Bildern, um deren Betrachtung zu Hause und in der Öffentlichkeit, um den Blick auf traditionelle und neue Darstellungen. Die Erfindung Daguerres ist, wie Gay-Lussac bemerkt, „der Ursprung einer neuen Kunst inmitten einer alten Civilisation [...]“
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„Bericht der Spezialkommission der Pairskammer zur Prüfung des Gesetzesvorschlags über Erwerbung des Geheimnisses des Herrn Daguerre zur Fixierung der Bilder der Camera obscura. Erstattet in der Sitzung vom 30. Juli 1839 von Herrn Gay-Lussac“, in: Josef Maria Eder, Geschichte der Photographie, Erste und Zweite Hälfte, 2 Bde., Halle (Saale): Wilhelm Knapp, 41932 (Ausführliches Handbuch der Photographie, Bd. 1, Teil 1), S. 310-314, hier S. 313.
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Zugleich hängen ihr noch Formen und Gebrauchsweisen aus der Vergangenheit an, die von manchen anderen Bildkünsten bereits überwunden sind. Die unbewegten Bilder stehen gegen bewegte, wie sie manche Projektionen mit der Laterna magica, Phenakistiskop und Praxinoskop, Moving Panoramas und Dioramen sowie weitere Vorführungen vorzutäuschen imstande sind. Auch die Besichtigung der großen Panoramen erfordert, um das Rundgemälde zur Gänze zu sehen, eine Drehung von Kopf und Körper des Besuchers. Um die an diversen Orten vorgeführten Attraktionen erleben zu können, muss sich der Zeitgenosse zu ihnen begeben, sich also selbst in Bewegung setzen und eine jeweils neue Sehposition einnehmen.
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Richard Beard: Porträt, um 1842, kolorierte Daguerreotypie
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Richard Beard: Porträt, um 1842, kolorierte Daguerreotypie, Neuntelplatte, in Etui, 7 x 6 x 1 cm, mit Hinweis auf ein Patent zur Kolorierung (aus: Jochen Voigt, Spiegelbilder. Europäische und amerikanische Porträtdaguerreotypie 1840 – 1860. Bildnisse aus der Sammlung May und Jochen Voigt, Ausstellungskatalog Schloßbergmuseum Chemnitz, Chemnitz: Edition Mobilis, 2007, S. 39)
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Zudem weisen Daguerreotypien – insbesondere auch die kolorierten Exemplare – noch die Merkmale der überkommenen Darstellungen auf: das biedermeierliche Format der Miniatur sowie deren Farbigkeit. Zugleich kommen in den 1830er Jahren jene illustrierten Zeitschriften in großen Auflagen heraus – wie das
Penny Magazine(ab 1832) oder das
Das Pfennig-Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse (ab 1833)–, die sowohl in den Lesestuben aufliegen als auch immer mehr zu den Abonnenten kommen und zumeist mit kleinen Abbildungen nach Holzstichen ausgestattet sind. Insgesamt ist das Dasein durch größere Mobilität geprägt: Nicht nur wegen der Möglichkeit des Reisens mit der Eisenbahn und dem Dampfschiff, sondern auch weil in den wachsenden Städten größere Entfernungen zurückzulegen sind, um von der Wohnung zum Arbeitsplatz, den Geschäften und Veranstaltungen im Zentrum zu gelangen. Nicht zuletzt führt die telegrafische Übermittlung von Texten zur Beschleunigung kommunikativer Prozesse.
Zwar findet die Daguerreotypie auf dem Porträtsektor rasch Eingang in größere Teile vor allem bürgerlicher Schichten. Handelt es sich doch bei Modell und Betrachter zumeist um dieselbe Person beziehungsweise dieselben Familienmitglieder, also eine Kundschaft, die sich mit einem einzigen Bildnis durchaus begnügt. An Bildern von Landschaften und Architekturen aus anderen Gegenden und in realitätsnaher Wiedergabe ist jedoch eine größere Klientel interessiert, daher mit einzelnen Daguerreotypien kein Geschäft zu machen. So lassen bereits ab 1840 die Verleger Noel Marie Paymal Lerebours in Paris und Ferd. Artaria et Fils in Mailand attraktive Orte und Gebäude in Europa und anderen Erdteilen daguerreotypieren, anschließend nachzeichnen oder nachmalen und um passende Staffage ergänzen. Im Aquatinta-Verfahren werden die Bilder aus Kupferplatten übertragen und als Drucke in den folgenden zwei beziehungsweise drei Jahren herausgegeben und vertrieben.
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Zu Lerebours vgl. Le daguerréotype français. Un objet photographique, Ouvrage collectif sous la responsabilité scientifique de Quentin Bajac et Dominique Planchon-de-Font-Réaulx, Ausstellungskatalog Musée d'Orsay, Paris: Editions de la Réunions des musées nationaux, 2003, S. 356 f.; zu Artaria vgl. Maria Francesca Bonetti, „D'après le Daguerréotype... L'immagine dell'Italia tra incisione e fotografia“, in: L'Italia d'Argento. 1839/1859. Storia del Dagherrotipo in Italia, a cura di Maria Francesca Bonetti, Monica Maffioli, Ausstellungskatalog Istituto Nazionale per la Grafica, Firenze: Alinari, 2003, S. 31-40, Abb. S. 43-47.
schliessen Diese Verlagsprodukte markieren das wesentliche Manko von Daguerres Verfahren. Denn nur über ihre Mobilisierung als originale oder gedruckte Wiedergaben können sich die medialen Potentiale entfalten. „Erst durch diese neue schwarze Kunst wird das Daguerrotype [...] von sehr großer Wichtigkeit werden“, heißt es bereits im Oktober 1839 in einem Bericht über die „Ätzung und Vervielfältigung der Lichtbilder“.
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o.A., „Ätzung und Vervielfältigung der Lichtbilder“, in: Der Sammler, 15. Okt. 1839, S. 494-496, hier S. 495 f.
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Friedrich Salathé: „Vue prise du Clocher S.t Marc à Venise“, 1841, aus der Serie „Excursions Daguerriennes“,1841–1843, Aquatinta nach einer Daguerreotypie Quelle
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Friedrich Salathé: „Vue prise du Clocher S.t Marc à Venise“, 1841, aus der Serie „Excursions Daguerriennes“, hrsg. von Noel Marie Paymal Lerebours, 1841–1843, Aquatinta nach einer Daguerreotypie, 210 x 250 cm (aus: L'Italia d'Argento. 1839/1859. Storia del Dagherrotipo in Italia, a cura di Maria Francesca Bonetti, Monica Maffioli, Ausstellungskatalog Istituto Nazionale per la Grafica, Firenze: Alinari, 2003, S. 43)
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Louis Cherbuin: „Santa Maria della Salute à Venise“, aus der Serie „Vues d'Italie d'après le Daguerréotype“,1845, Aquatinta nach einer Daguerreotypie Quelle
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Louis Cherbuin: „Santa Maria della Salute à Venise“, aus der Serie „Vues d'Italie d'après le Daguerréotype“, hrsg. von Ferd. Artaria et Fils, 1845, Aquatinta nach einer Daguerreotypie, 157 x 212 cm (aus: L'Italia d'Argento. 1839/1859. Storia del Dagherrotipo in Italia, a cura di Maria Francesca Bonetti, Monica Maffioli, Ausstellungskatalog Istituto Nazionale per la Grafica, Firenze: Alinari, 2003, S. 45)
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Wobei selbst heute die auf höchstem Niveau reproduzierten Daguerreotypien nicht jene Faszination aufkommen lassen, die durch die doppelte Darstellung als Negativ und Positiv sowie die Spiegelung bei frontaler Ansicht, bei der der Betrachter selbst ins Bild tritt, hervorgerufen wird. Doch diese Art Wahrnehmung steht gegen die historische Praxis, die sich ausschließlich an der ‘positiven Seite' interessiert gezeigt hat.
16.2.2009
© Timm Starl 2009
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